D-Konstanz | Die Hemmung eines Proteinkomplexes in Zellen des Immunsystems verhindert, dass ein transplantiertes Organ abgestoßen wird – dies zeigt eine Studie von Immunolog*innen der Universität Konstanz, des Biotechnologie Instituts Thurgau (BITg) und des Chongqing Cancer-Universitätsspitals.
Organtransplantationen können Leben retten. Viel zu häufig scheitern sie jedoch daran, dass der eigene Körper das fremde Organ nicht annimmt. Welche Faktoren bestimmen, ob der Körper ein fremdes Organ akzeptiert? Ein Konstanzer Forschungsteam um die Immunologen Michael Basler und Jun Li zeigt auf: Ein Proteinkomplex in Zellen des Immunsystems, das sogenannte Immunoproteasom, spielt eine wichtige Rolle, und seine Hemmung könnte für zukünftige Begleittherapien zu einer Organtransplantation herangezogen werden.
Langsame Abstoßung von Organen
Wenn bei einer Organtransplantation Spender*in und Empfänger*in nicht ganz übereinstimmen, kommt es häufig zu einer langsamen, allmählichen Abstoßung des fremden Organs.
„Arteriosklerose im transplantierten Organ trägt maßgeblich zur chronischen Abstoßung bei und ist ein Hauptgrund für den Verlust der Funktion des transplantierten Organs“, erläutert Michael Basler.
Der Grund für die Abstoßung ist die eigene Immunabwehr des Körpers: Das neue Organ wird als „Fremdkörper“ erkannt, und es wird eine Immunabwehr dagegen eingeleitet. „In den ersten Jahren nach der Transplantation kann man diesen Effekt gut verhindern, indem man das Immunsystem unterdrückt“, schildert Basler. Der Konstanzer Immunologe erforscht bereits seit Jahren einen besonderen Proteinkomplex in Immunzellen, das Immunoproteasom. Nun ergründet er dessen Rolle bei der Abstoßung von Organen.
Die Rolle des Immunoproteasoms
Das Immunoproteasom ist ein spezifischer Proteinkomplex, der in Immunzellen vorkommt. Seine Aufgabe ist es, Proteine in Zellen abzubauen. Sogenannte Plasmazellen sind für die Herstellung von Antikörpern verantwortlich. In diesen Plasmazellen, die als Fabriken für Antikörper betrachtet werden können, fallen oft falsch gefaltete – also gewissermaßen „defekte“ – Antikörper an, die durch das Immunoproteasom abgebaut werden müssen. Wird das Immunoproteasom in diesen Zellen gehemmt, können die defekten Antikörper nicht mehr abgebaut werden und die Plasmazellen sterben ab. Dadurch können Plasmazellen, die Antikörper gegen das transplantierte Organ produzieren, eliminiert werden.
Das Immunoproteasom kann durch medikamentöse Behandlung sehr selektiv gehemmt und ausgeschaltet werden. Dadurch wird das Immunsystem geschwächt. Was zunächst nach einem Nachteil klingt, kann sehr wohl medizinischen Sinn haben: nämlich immer dann, wenn das körpereigene Immunsystem zum Problem wird.
In jahrelanger Forschung zeigte die Konstanzer und Kreuzlinger Arbeitsgruppe für Immunologie, dass die Inhibition (Hemmung) des Immunoproteasoms sinnvoll zur Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden kann. Die Idee ist, das Immunsystem sanft zurückzufahren, so dass ungewollte, schädliche Effekte des Immunsystems nicht mehr anschlagen. Das Immunproteasom ist folglich ein Ansatzpunkt, über den das Immunsystem kontrolliert heruntergefahren werden kann.
Die Abstoßung des Organs verhindern
Derselbe Effekt lässt sich auch einsetzen, um zu verhindern, dass transplantierte Organe vom Immunsystem angegriffen und letztlich abgestoßen werden. Dies zeigte das Forschungsteam um Michael Basler und Jun Li in einer aktuellen Studie. Anhand der Transplantation von Aorta-Gefäßen konnten sie nachweisen: Die Hemmung des Immunoproteasoms führt dazu, dass die Abstoßung von fremden Organen unterdrückt wird.
„In unserer Publikation konnten wir zeigen, dass die Arteriosklerose im transplantierten Organ durch die Immunoproteasom-Inhibition verhindert wird. Da effektive pharmakologische Medikamente fehlen, um die chronische Abstoßung von transplantierten Organen zu verhindern, stellt die Immunoproteasom-Inhibition einen neuen Therapieansatz dar, der die Langzeitprognose von Patienten mit transplantierten Organen verbessern könnte“, schlussfolgert Michael Basler. Seine Studie diente der Erforschung der biologischen Grundlagen. Für die Entwicklung einer medizinischen Therapie werden weiterführende klinische Studien nötig sein.
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: Jun Li, Shaobo Hu, Henry W B Johnson, Christopher J Kirk, Peng Xian, Yanping Song, Yuan Li, Nan Liu, Marcus Groettrup, Michael Basler, Co-inhibition of immunoproteasome subunits LMP2 and LMP7 enables prevention of transplant arteriosclerosis, Cardiovascular Research, 2022;, cvac181, https://doi.org/10.1093/cvr/cvac181
- Die Forschungsergebnisse basieren auf einer Studie mit Ratten
- Die Studie diente der Erforschung der biologischen Grundlagen. Der Therapieansatz ist noch nicht in Anwendung. Für die Entwicklung einer medizinischen Therapie sind weiterführende klinische Studien nötig
- Forschungsprojekt der Universität Konstanz und des Biotechnologie Instituts Thurgau (BITg) sowie des „Chongqing University Cancer Hospital“ (China)
- Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und „National Natural Science Foundation of China“.
(Quelle: Presseinformation Universität Konstanz, 20.12.2022)
Bildbeschreibung:
Oben: Nach einer Organtransplantation werden im Knochenmark Plasmazellen gebildet, die Antikörper gegen das transplantierte Organ produzieren. Weiter werden in der Milz T- Zellen gebildet, die krankheitsfördernde Botenstoffe herstellen. Diese Antikörper und Botenstoffe führen dazu, dass sich die Blutgefäße in dem transplantierten Organ entzünden und es zu Arteriosklerose kommt.
Unten: Durch eine Hemmung des Immunoproteasoms sterben Plasmazellen ab, und somit werden weniger Antikörper gegen das transplantierte Organ produziert. Weiter werden weniger entzündungsfördernde Botenstoffe in der Milz freigesetzt. Dies führt dazu, dass im transplantierten Organ keine Arteriosklerose entsteht und das transplantierte Organ nicht abgestoßen wird.